Mitten in der Krise: Krankenpflegerin soll abgeschoben werden

Nicht etwa feh­len­de Betten sind das Problem auf den Intensivstationen, son­dern die Verpflichtung von Krankenhäusern, nach betriebs­wirt­schaft­li­chen Prinzipien zu han­deln und oft­mals Gewinne zu erzie­len. Da stellt Personal einen Kostenfaktor dar, der zu mini­mie­ren ist. Infolgedessen geht der Betrieb schon im Normalfall auf die Knochen der Beschäftigten.

In Zeiten gro­ßer Anspannung, sei­en sie jah­res­zeit­lich oder durch eine Pandemie bedingt, ist es um so absur­der, qua­li­fi­zier­te Kräfte abzu­schie­ben. Über einen sol­chen aku­ten Fall berich­tet zeit.de am 17.12.:

»Sie wird gebraucht, aber nicht geduldet
Farah Demir arbei­tet auf einer Corona-Station und lebt seit 34 Jahren in Niedersachsen. Trotzdem soll sie abge­scho­ben wer­den. Ihre Kollegen wol­len das verhindern…

Schlafen kön­ne sie schon seit November nicht mehr gut, seit­dem ein Brief der Ausländerbehörde bei ihr ankam.

"Sehr geehr­te Frau Demir,

als aus­län­di­sche Staatsangehörige unter­lie­gen Sie der Passpflicht und dür­fen sich nur im Bundesgebiet auf­hal­ten, wenn Sie im Besitz eines gül­ti­gen Nationalpasses sind. Ich for­de­re Sie auf, bis spä­tes­tens 20.12.2020 einen gül­ti­gen Nationalpass oder Passersatz bei mei­ner Ausländerbehörde vorzulegen. (…)

Für den Fall, dass Sie ihren Mitwirkungspflichten nicht inner­halb der Frist nach­kom­men, wei­se ich auf fol­gen­de Vorschriften hin: Geduldeten Ausländern mit unge­klär­ter Identität darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt wer­den. (…) Der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne gül­ti­gen Pass wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Sofern Sie fal­sche Angaben zu ihren Personalien täti­gen oder Ihren Mitwirkungshandlungen nicht nach­kom­men, kön­nen sie Sie aus die­sem Grunde aus Deutschland aus­ge­wie­sen werden.

Sollten Sie Ihrer Mitwirkungspflicht inner­halb der genann­ten Frist nicht nach­kom­men, wird es nicht mehr mög­lich sein, Ihre Duldung für sechs Monate zu verlängern."

Nur gedul­det, aber systemrelevant
Farah Demir arbei­tet als Krankenschwester auf der Corona-Intensivstation des Klinikums der Medizinischen Hochschule in Hannover…

Sie ist, was man jetzt sys­tem­re­le­vant nennt. Was über­all fehlt und gesucht wird: eine Pflegekraft. Demir lebt seit 34 Jahren in Deutschland. Und doch soll sie laut dem Schreiben vom 19. November die­ses Jahres bald nicht mehr arbei­ten dür­fen, viel­leicht sogar abge­scho­ben wer­den. "Als Erste hat­te mei­ne Mutter den Brief gele­sen, dann mein Bruder, abends ich. Wir waren alle geschockt", sagt Demir. Zwar sei­en sie und ihre Familie schon immer nur gedul­det, doch eine sol­che Ansage habe sie nicht erwar­tet, vor allem nicht jetzt…

Demir ist im Jahr 1986 im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie vor dem Krieg aus dem Libanon nach Deutschland geflüch­tet. Erst hat sie mit ihrer Schwester, ihrem Vater und der Mutter in einem Erstaufnahmelager gelebt, dann in einem Flüchtlingsheim in Niedersachsen. Zwei Jahre spä­ter zog sie in eine Wohnung in Hameln, ging zur Schule, mach­te ihr Abitur mit Bestnote. Anfangs woll­ten die Eltern noch zurück in den Libanon, doch mit den Jahren gaben sie den Plan auf, auch ihren Kindern zulie­be. Sie soll­ten eine bes­se­re Zukunft haben als in dem Land, das nach dem Krieg erst wie­der­auf­ge­baut wer­den muss­te. Nach dem Abitur woll­te Demir eigent­lich Medizin stu­die­ren. "Um Menschen zu hel­fen", sagt Demir. Doch als Staatenlose ging das nicht, dafür braucht man einen Pass. Deshalb fing sie eine Ausbildung zur Krankenpflegerin an. "Ich ent­schied mich für den Pflegeberuf, um Menschen hel­fen zu kön­nen", sagt Demir. Immer mit dem Ziel, eines Tages auf einer Intensivstation zu arbei­ten. "Die schwe­ren Fälle inter­es­sier­ten mich schon immer", sagt Demir. In der Klinik lern­te sie auch ihren Mann, einen Israeli, ken­nen, bis heu­te sind sie ein Paar. Sie sind kin­der­los, bewusst. "Der Status einer Staatenlosen wird auto­ma­tisch an die Kinder ver­erbt, das will ich nicht", sagt Demir. An Kinder kön­ne sie erst den­ken, wenn ihrer Familie kei­ne Abschiebung mehr droht.

Familie ohne Pass
Demirs Geschwister leben auch mit der Unsicherheit, Deutschland wie­der ver­las­sen zu müs­sen. Ihre Schwester ist Lehrerin, einer ihrer Brüder arbei­tet als Maschinenbauer, ein ande­rer als Pfleger wie Demir. Sie haben Kinder, Partner, schlie­ßen Verträge, mie­ten Wohnungen, kau­fen Autos. Einen Pass besit­zen sie nicht. Bei der Flucht habe ihr Vater sie ver­lo­ren, spä­ter einen gefälscht, damit sie ein­rei­sen konn­ten. Als das auf­flog, wur­de ihr Asylbescheid abge­lehnt. Seitdem ist die Familie offi­zi­ell staa­ten­los, wird in Deutschland aber gedul­det. Geduldet heißt, dass sie zwar kei­ne dau­er­haf­te Aufenthaltserlaubnis haben, aber nicht abge­scho­ben wer­den, bei­spiels­wei­se wenn in dem Zielland Krieg herrscht oder Personen nicht rei­se­fä­hig sind. Über 200.000 Menschen leben laut Zahlen des Mediendienstes Integration hier­zu­lan­de gedul­det, vie­le leben wie Farah Demir schon lan­ge in Deutschland. Für Demir ist der Begriff "Duldung" bis heu­te einer, an den sie sich nicht gewöh­nen kann. "Ich weiß, dass das die Behördensprache ist, aber gedul­det klingt so, als sei ich ein Mensch zwei­ter Klasse", sagt Demir.

Die Klinik tut alles, damit Demir blei­ben kann
Bis zum Jahr 2006 besaß sie eine unbe­fris­te­te Aufenthaltsgenehmigung. Damals reich­te dazu eine Geburtsurkunde aus dem Libanon. Doch dann ent­deck­te die Ausländerbehörde im Jahr 2014 einen Auszug aus dem tür­ki­schen Personenregister, dar­auf stan­den die Namen aus Demirs Familie. Die Folge: Ihr Aufenthaltsrecht wur­de ungül­tig, die Pässe einkassiert.

Seitdem kann Demir nicht aus­rei­sen, um sich im Libanon einen neu­en Pass zu besor­gen oder die Geburtsurkunde bestä­ti­gen zu las­sen. Sie kann nicht bewei­sen, wo sie gebo­ren ist. Die Ausländerbehörde sagt: Deshalb kann Demir nicht ein­ge­bür­gert wer­den. Stattdessen lebt die Familie seit vie­len Jahren von Duldung zu Duldung, alle sechs Monate wur­de die­se ver­län­gert. Bis zum Schreiben im November. Zum ers­ten Mal wird ihr dar­in ange­droht, dass sie ihre Arbeitserlaubnis ver­liert – und dass sie abge­scho­ben wer­den kann.

Hameln sei ihre Heimat, nicht Beirut
"Ich wür­de in ein Land abge­scho­ben, das ich nicht ken­ne", sagt Demir. Ihre Stimme stockt, wenn sie aus­spricht, wovor sie sich fürch­tet. Sie muss dann eine kur­ze Pause machen, sich sam­meln. Denn egal ob die Ausländerbehörde ihre Familie in die Türkei oder in den Libanon abschie­ben wür­de, bei­des sei ihr fremd. Hameln sei ihre Heimat, viel­leicht noch Hannover, aber nicht Beirut. "Der Libanon ist mein Vaterland, aber Deutschland mein Mutterland. Hier bin ich auf­ge­wach­sen", sagt Demir. Demir denkt auf Deutsch. Sie kön­ne gar nicht anders, sagt sie. Sie kön­ne noch nicht ein­mal flie­ßend Arabisch spre­chen, lesen oder schreiben.

Nils Hoffmann, Personalrat der Klinik, hat sich schon im Jahr 2019 dem Fall Demir ange­nom­men. Schon damals gab es Probleme mit der Ausländerbehörde und einer Duldung, die aus­lief. Im November aber sei er kurz sprach­los gewe­sen, als er hör­te, dass Demir abge­scho­ben wer­den soll. Dabei ist Hoffmann eigent­lich nie­mand, der kei­ne Worte fin­det. Wenn er von der Ausländerbehörde spricht, benutzt er Begriffe wie "Frechheit", "Skandal" oder "beschä­mend". Demir nennt ihn "mei­nen Helden". Wenn Hoffmann das hört, lacht er laut und sagt: "Sie sind hier die Heldin." Als Demir den Brief der Behörde erhielt, traf sie sich mit Hoffmann, brach­te ihm alle Ordner und Dokumente vor­bei. Hoffmann han­del­te sofort, schrieb Kommunalpolitiker an, ver­fass­te eine Petition. Heute sitzt er in sei­nem Büro, blickt auf sein Smartphone und grinst. "Wir haben die 17.000 gera­de geknackt", sagt Hoffmann. So vie­le Menschen haben sei­ne Petition namens Eine unbe­fris­te­te Aufenthaltsgenehmigung für Farah Demir in weni­ger als einer Woche unter­schrie­ben. "Das macht mich schon stolz", sagt Hoffmann.

Die Klinik steht hin­ter Demir
Er ist für mehr als 10.000 Angestellte des gro­ßen Universitätsklinikums mit­ver­ant­wort­lich, sozu­sa­gen einer der Chefs des größ­ten Betriebsrats der Stadt. Ein Mann, der den Kopf ein­zieht, wenn er durch eine Tür geht, und im Sitzen durch sei­ne tie­fe Stimme auf­fällt. "Demir hat einen Festvertrag im öffent­li­chen Dienst und ein Führungszeugnis, aus­ge­stellt von einer deut­schen Behörde. Und sie soll kei­ne Identität haben?", sagt Hoffmann…

Mittlerweile spricht die Ausländerbehörde in einer Stellungnahme, die ZEIT ONLINE vor­liegt, nicht mehr davon, dass eine Abschiebung zeit­nah anste­he. Sie weist aber dar­auf hin, dass Demir "kein Aufenthaltstitel erteilt wer­den kann, solan­ge sie nicht einen Pass vor­legt". Auch schreibt die Behörde wei­ter­hin, dass "Personen mit unge­klär­ter Identität die Ausübung einer Beschäftigung nicht mehr gestat­tet wer­den darf". Die Frist zur Einreichung der Dokumente hat die Ausländerbehörde um vier Wochen nach hin­ten auf den 20. Januar verlegt.

Wie Demir aber bis dahin an einen gül­ti­gen Pass kom­men soll, steht in der Stellungnahme nicht…«

9 Antworten auf „Mitten in der Krise: Krankenpflegerin soll abgeschoben werden“

  1. Ein Armutszeugnis für Deutschland, dass man sich hier so in den Weg stellt. Schäm Dich, Ausländerbehörde!

  2. Wir leben immer noch in SCHILDA, und zwar über­all in Deutschland!
    So schafft ein Land sich sel­ber ab, genau so!

  3. Das ist ein­fach nicht nach­voll­zieh­bar. Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die Ausländerbehörde in sol­chen Fällen kei­nen Handlungsspielraum haben soll.
    Nur weil jemand aus büro­kra­ti­schen Gründen kei­nen Pass bekommt, wird er doch nicht auto­ma­tisch illegal…?!
    Was für "Apparatschiks" sind das, die sol­che Entscheidungen treffen?
    Sehr gut passt dazu die Meldung über die Beförderung des Weißhelme-Chefs Saleh plus Familie mit einer Bundeswehr-Maschine nach Deutschland, ent­ge­gen der ent­schie­de­nen Bedenken des Verfassungsschutzes, wegen der isla­mis­tisch- dschi­ha­dis­ti­schen Einstellung Salehs.
    Da fällt mir nichts mehr ein.
    https://www.welt.de/politik/deutschland/article222033934/Syrien-Fuehrendes-Mitglied-der-Weisshelme-in-Deutschland-eingetroffen.html

  4. Als IS-Kämpferin mit Nahkampferfahrung wäre hät­te sie sofort 'ne Lobby. Die Welt lacht sich schlapp, wen wir ins Land las­sen und nicht abschie­ben, und wer gar nicht zu uns kom­men will und wen wir ver­grau­len oder abschieben.

    1. @Johannes Schumann
      Asylrecht hat nichts damit zu tun, ob Menschen "nett" sind oder ob Deutschland sie brau­chen kann. Sondern mit Fluchtgründen und Staatsangehörigkeit!
      Wenn ein IS-Kämpfer also deut­scher Staatsbürger ist und in ande­ren Ländern Unheil anrich­tet, ist nicht ein­zu­se­hen, war­um das Land, dass er damit beglückt hat, ihn auch noch behal­ten soll­te. Oder sind sie der Auffassung, dass es Länder geben soll­te, in die das "gute" Deutschland" sei­ne unlieb­sa­men Staatsbürger ent­sor­gen kön­nen sollte?
      Da wäre ich vor­sich­tig, sonst fin­den sich Quer und Denker aller Herkünfte plötz­lich in der Wüste wieder.
      Im Übrigen ein Verfahren, man nennt das auch DEPORTATION, das z.B. Israel prak­ti­zie­ren möch­te, aber – noch nicht oder nicht mehr, da bin ich nicht ganz auf dem Laufenden – darf:
      https://info.arte.tv/de/israel-kein-gelobtes-land-fuer-migranten
      Auch Australien prak­ti­ziert das und ist des­we­gen umstritten:
      https://www.deutschlandfunk.de/australiens-umstrittene-fluechtlingspolitik-betreten.724.de.html?dram:article_id=321252

  5. Nicht jeder zu Unrecht Abzuschiebende ist ein Intensivpfleger.

    Im Tagesspiegel schreibt ein Pfleger namens Ricardo Lange (der Mitarbeiter einer Leiharbeitsfirma ist) wöchent­lich über sei­ne Erfahrungen auf einer Intensivstation in einem Level-2-Krankenhaus. Level-2-Krankenhäuser sind in der Krankenhaus-Covid-19-Verordnung Berlins sol­che, die "vor­ran­gig die inten­siv­me­di­zi­ni­sche Behandlung von an Covid-19 erkrank­ten Patientinnen und Patienten." über­neh­men sollen.

    Ricado Lange berich­tet also wöchent­lich über die dor­ti­gen Erfahrungen mit schwe­ren Covid-Fällen und den all­täg­li­chen und dank feh­len­der ech­ter Notfall-Planung und Umsetzung exis­tie­ren­den Missständen.

    Am 1. April berich­tet er:
    "„Seit Jahren wird das Gesundheitssystem kaputt gespart und das Personal ver­heizt. Das Wort Freizeit und Familie ken­nen vie­le schon gar nicht mehr. […] Was bringt mir das Geklatsche, wenn sich für uns wei­ter­hin nichts ändert?“
    Lange rech­net damit, dass es in sei­ner Branche wei­ter­hin Personalmangel geben wird. „Und gera­de jetzt, wo wir am meis­ten Unterstützung brau­chen fehlt es an allem. Die Personaluntergrenze wur­de auf­ge­ho­ben, jetzt muss jede Pflegekraft wie­der mehr Patienten versorgen.“
    Was sei­ne Arbeit außer­dem erschwe­re: Es feh­le an Schutzkleidung. Pro Schicht bekom­me jede*r nur eine Schutzmaske. Angehörige von Patient*innen hät­ten außer­dem Masken geklaut. "
    https://utopia.de/krankenpfleger-coronavirus-facebook-post-181852/

    Am 23. November, also fast 8 Monate spä­ter, berich­tet er:
    "Ich hat­te auch davor schon mit kran­ken und anste­cken­den Patienten zu tun. Etwa sol­che mit Tuberkulose oder resis­ten­ten Keimen. Der Unterschied ist jetzt nur: Davor war immer aus­rei­chend Schutzausrüstung und Personal vor­han­den. Das war zu Beginn der Pandemie anders.
    Was mich viel­mehr beschäf­tigt als das Ansteckungsrisiko: Es wur­den noch immer kei­ne neu­en Konzepte vor­ge­legt. Es gibt kei­ne Anreize, jetzt den Pflegeberuf zu ergrei­fen. Ganz im Gegenteil. Stattdessen sol­len sogar infi­zier­te Pfleger und Ärzte wei­ter­ar­bei­ten. Die Politik begrün­det all ihre Entscheidungen, all die­se Maßnahmen damit, dass das Coronavirus gefähr­lich ist, theo­re­tisch für jeden. Aber wenn ein Pfleger oder Arzt infi­ziert ist, soll er trotz­dem zur Arbeit erschei­nen – das passt doch nicht zusammen!"
    "Ein Teil der Intensivbetten, die da immer ver­mel­det wer­den – das sind in Wahrheit kei­ne Betten auf Intensivstationen. Das sind Notfallbetten. Provisorisch geschaf­fe­ne Beatmungsplätze. Auf ande­ren Stationen, in ande­ren Räumen. Die sind viel­leicht mit Beatmungsgeräten aus­ge­stat­tet – aber das reicht ja nicht. Es braucht auch geschul­tes Personal. Weil das meis­tens fehlt, wer­den Patienten mitt­ler­wei­le teil­wei­se von Personal betreut, das kei­ne oder nur sehr wenig Erfahrung mit Intensivpatienten hat. Auch wenn noch eine erfah­re­ne Pflegekraft da ist und sie beauf­sich­tigt. Die müs­sen dann plötz­lich Dialysen machen, Patienten beatmen – obwohl sie das vor­her nie getan haben. Sie sind mit Krankheitsbildern kon­fron­tiert, die sie vor­her nie gese­hen haben und müs­sen plötz­lich in einem Drei-Schicht-System arbeiten.

    Und, ein wei­te­rer Punkt: 

    Viele ver­ste­hen gar nicht, was die Zahlen eigent­lich bedeu­ten. Wenn ich sage, dass wir bei­spiels­wei­se 25 Covid-Patienten auf unse­rer Intensivstation haben – dann bekom­me ich als Reaktion häu­fig ein „Echt, nur?“. Vielen sind die Verhältnisse gar nicht klar. 

    Die Intensivstationen waren ja vor Corona schon voll. Da waren viel­leicht ein, zwei Betten frei. Aber nicht mehr. Es gibt auf der gan­zen Welt ver­mut­lich nicht eine Intensivstation, die vor Corona 25 freie Betten hat."

    Es hat sich nichts getan. Dumm ist nur, dass man ihn auf zwei Weisen zu miss­brau­chen ver­sucht, seit­dem er berichtet:

    1. die, die tat­säch­lich mei­nen , er wür­de lügen und ihn des­we­gen beschimp­fen, aber auch

    2. die, die ihm zwar zuhö­ren, aber Cherry-picking betrei­ben und so von den Missständen auf die Kritiker umlen­ken wol­len, wie der Focus – so:

    FOCUS: Wie könn­te man es den Menschen begreif­li­cher machen, was das Virus wirk­lich bedeutet?

    Lange: Das ist schwie­rig. Menschen, die das Virus nicht sehen, die ver­ste­hen es auch nicht. Aber ich habe es gese­hen. Ich habe mit­er­lebt, wie schnell es gefähr­lich und töd­lich wird.

    Letzteres ein gefun­de­nes Fressen. Er arbei­tet mit man­gel­haf­ter Ausstattung in einem Level-2-Krankenhaus, auf der Intensivstation. Dort sind nur gefähr­lich Erkrankte, auch sol­che, die schwer an Covid erkrankt sind. Ist es das, was "das Virus wirk­lich bedeu­tet", wie FOCUS unter­schiebt, oder ist es ein Zusammenfallen von Schwerstkranken mit Planungsversagen?

    Es mag Leute geben, die dumm genug sind zu behaup­ten, dass es Corona nicht gibt oder dass schwe­re Fälle erfun­den sind. Und es gibt Leute, die nicht begrei­fen (wol­len), dass sich Regierungsversagen UND die schwe­ren Fälle poten­zie­ren, son­dern glau­ben machen wol­len, dass Covid so schlimm sei, dass selbst eine gut­her­zi­ge und intel­li­gent vor­sor­gen­de Regierung über­for­dert ist.

    Letzteres ist in jedem Fall und jeder Hinsicht ein Fake.

    Gegenbeispiel: http://www.travelmedicus.com/cov-id19/cov-interview/index.php

    Zum Zuhören, das die arme Frau Kanzlerin ver­ge­bens bei sich anmahnt, wür­de noch ein zwei­tes Latein gehö­ren: "Diligentia quam in suis ". Das bedeu­tet, bei der Veranwortung als Regierung die sel­be Sorgfalt auf­zu­brin­gen, die man auch in eige­nen Angelegenheiten wal­ten lässt. Mit dem Ziel, wirk­lich Lösungen zu schaf­fen, anstatt immer wie­der alle nach hau­se zu schi­cken, bis irgend­ein Impfstoff Wunder vollbringt.

  6. Doch noch zur Story der ZON.

    Die Schilderung ist ein wenig selt­sam. Grundsätzlich ent­spricht es der recht­li­chen Logik in D: wer sein Herkunftsland nicht nach­wei­sen kann, soll hier auch nicht arbei­ten dür­fen. Das ist von der Absicht geprägt zu ver­hin­dern dass sog. Wirtschaftsflüchtlinge (ein Euphemismus ange­sichts oft , aber nicht immer, bit­te­rer Armut im Herkunftsland) Pässe "ver­lie­ren", um nicht abge­scho­ben wer­den zu kön­nen (… wohin, wenn die Herkunft unklar ist?) und hier Geld zu verdienen.
    Das wie­der­um führt ange­sichts der behä­bi­gen Behördenverfahren samt der Tatsache, dass jede Entscheidung "von oben" abge­si­chert sein muss, häu­fig (!) dazu, dass sol­che Verfahren 3 – 5 Jahre dau­ern. Auch die berüch­tig­ten Abschiebeflüge nach Afghanistan waren z.T. davon geprägt. Hintergrund von Tragödien aller Art, dass die Verfahren oft tat­säch­lich oder "mora­lisch" man­gel­haft sind, den Fluchtgründen nicht wirk­lich gerecht wer­den, nach Schema F erfol­gen und viel zu lan­ge dauern.
    Hier sol­len es gar 34 Jahre gewe­sen sein bei einer Frau, die mit 2 Jahren nach Deutschland kam. Im Bericht ist die Rede von ein­ge­zo­ge­nen Pässen und dem Auftauchen der Namen in tür­ki­schen Registern. Bei den ein­ge­zo­ge­nen Pässen muss es sich um die der Eltern han­deln, denn die Frau selbst hat ja kei­nen. Da es kei­ne tür­ki­schen sind, han­delt es sich wohl um ein Dublin-Problem: für die Eltern wäre womög­lich die Türkei zustän­dig gewe­sen, sie sind aber nach Deutschland.
    Dass sie also kei­nen Pass bean­tra­gen kann, hal­te ich für eine Ente: es gibt Konsulate, die genau dafür auch da sind. Nur: wenn sie es tut und einen erhält, was zu erwar­ten ist (!), kann sie arbei­ten, aber auch jeder­zeit abge­scho­ben werden.
    Durch die extrem lan­ge Zeit und die Umstände ist sie m.E. ein Fall für eine Härtefallkommission – oder ein Kirchenasyl 🙂
    So jeden­falls gehen die Regularien – an denen man viel kri­ti­sie­ren kann, aber: dass sie nicht weiß, WIE sie zu einem Pass kom­men kann, ist m.E. eine "Ente", die sich ein Journalist zusam­men­ge­reimt hat.

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