Der britische Premierminister Boris Johnson hat am 10. September für den kommenden Herbst nicht weniger als eine „Operation Moonshot“ angekündigt. Das klingt schwer nach James Bond, aber es ist
„der Codename des neuesten Massentestungsprogramms der britischen Regierung mit dem Ziel, Tests der Bevölkerung auf COVID-19 bis Anfang 2021 auf 10 Millionen täglich zu steigern. Alles für angeblich 100 Milliarden Pfund Sterling. […] Eine schnelle Durchsicht der Folien voll von Mengenlehre-Diagrammen, falsch zugeordnetem Text, unerklärter Farbcodierung, schwachsinnigen Berater-Slogans – und sogar die größten Optimisten unter uns werden beginnen, Vertrauen zu verlieren. Es sieht ehrlich aus und liest sich wie eine Silicon Valley PowerPoint-Präsentation aus den 1990ern von einem Verkaufsleiter, der weiß, daß er eine Technologie und eine Idee anpreist, die es noch nicht gibt und die unerreichbar sind. […]
Aber wenn du noch irgend einen Zweifel hast, ob dieses Dokument eine völlige Zeitverschwendung ist, sollte die folgende Phrase der Nagel in den Sarg sein: Hebel-Synergien. Yup, das ist richtig, die Regierung plant die Ausgabe von 100 Milliarden Pfund und Durchführung von 10 Millionen COVID-19 Tests täglich durch Hebel-Synergien. Ich kenne Sie überhaupt nicht, aber wann auch immer ich Synergien hebele, weiß ich, daß ich einen guten Job mache. […] Es scheint, dass Großbritannien COVID-19 einhändig mit einem schrecklichen PowerPoint geknackt und einen Haufen Privatunternehmen gleichzeitig reich gemacht hat!“ [1]
In Großbritannien leben 66,7 Millionen Menschen, in Deutschland 83 Millionen und insgesamt wurden hier ca. 15 Millionen Tests durchgeführt, seit Mitte August gut eine Million wöchentlich. Ganz unabhängig von der Frage, ob dieser Test in diesem Zusammenhang überhaupt irgend einen Sinn ergibt, hat man mit den Tests von Anfang an in Großbritannien ein landesweites Chaos verursacht [2], das andauert und mit solchen Plänen noch weiter verstärkt wird.
„Casedemic“: Von der Epidemie zur „Falldemie“
Zur Einschätzung der epidemischen Lage in Großbritannien werden in den folgenden Graphiken auf COVID-19 zurückgeführte Todes- und Krankheitsfälle und durchgeführte Tests (zum Vergleich mit den Daten aus Deutschland und Schweden) dargestellt, abschließend folgt die Rate der positiven Test an der Gesamtzahl der durchgeführten Tests (alle Graphiken von https://ourworldindata.org/). Überall nehmen die Todesfälle ab, die Fälle (cases) steigen zusammen mit den Tests und überall liegt aktuell die Test-Positivrate bei 1%. Das ist auch der Bereich der Falsch-Positivrate. [3]
Der Ire Ivan Cummins hat dafür den Begriff „Casedemic“ geprägt, der in „Falldemie“ übertragen wurde. Die mit COVID-19 in Verbindung gebrachten Fälle bzw. „Fälle“ bilden den oberen Bereich , die Todesfälle den unteren Bereich der Graphik. Während im Frühjahr den symptomatischen oder asymptomatischen Erkrankungsfällen spiegelbildlich eine Häufung von Todesfällen gegenüberstand, gibt es fast nur noch „Fälle“ durch positive Tests und einen Anstieg durch den Anstieg beim Testen. Fazit für Großbritannien: „Epidemie lange vorbei“. [4] Das ist insgesamt die Situation in unserer Klimazone einschließlich Deutschland, Spanien und Frankreich.
Masters of Disaster
Auch wenn COVID-19 also nach allen offiziellen Daten vorbei ist – was jedem, der mit diesen Daten professionell arbeitet, bekannt sein muss – erfährt die britische Öffentlichkeit nur von den zunehmenden „Fallzahlen“ ohne Bezug auf die Steigerung der Testungen und die äußerst geringe Todesrate, aber flankiert von hysterischen Äußerungen ihrer Vertreter. So sagte Mark Walport, ehemaliger Direktor des Wellcome Trust und früher wichtigster wissenschaftlicher Regierungsberater: „Ich denke, man würde sagen, wir sind nahe daran, die Kontrolle zu verlieren und Sie müssen nur einen Blick über den Kanal werden und sehen, was in Frankreich und Spanien geschieht.“ [5] Und Peter Openshaw vom Imperial College London erinnerte an die ab dem 14.9. geltende „rule of six“ (überall dürfen sich nur noch sechs Personen treffen):
„Und das ist kein Spiel. Wir sollten nicht rausgehen und soviel Party wie möglich vor dem Lockdown am Montag machen. Wir sollten alle wirklich darüber nachdenken, was wir tun können, um die Verbreitung zu verringern. […] Ich glaube, jeder stimmt zu, daß wir alle sehr schnell handeln müssen, um dieses Ding daran zu hindern, exponentiell zu wachsen. […] Wenn wir das jetzt nicht machen, werden wir bald wieder in einen harten Lockdown gehen.“ [6]
Die Lage in Großbritannien ist definitiv furchtbarer als hier. Die Regierung spottet jeder Beschreibung und auf der Insel drängen sich auf engem Raum besonders viele gewichtige Akteure mit starkem Drang nach Macht, Geld und Ruhm. Die Regierungsberater der SAGE (Scientific Advisory Group for Emergencies) sollen unabhängig und wissenschaftlich bei Notfällen beraten, was bei Mitgliedern wie Mark Walport, Neil Ferguson vom Imperial College London und Jeremy Farrar vom Wellcome Trust mindestens fragwürdig ist. In den entscheidenden Tagen des März 2020 nahm zudem Dominic Cummings an den Sitzungen teil (er ist der Berater von Premierminister Johnson, der wahrscheinlich mehr politische Entscheidungen trifft als Johnson selbst) und hatte die wissenschaftlichen Mitglieder zum "Lockdown" gedrängt. [7]
Der britische Wellcome Trust ist als öffentlich sichtbarer, einflussreicher und angeblich philanthropischer Teil der im 19. Jahrhundert gegründeten Pharmafirma übrig geblieben, nachdem der Geschäftsbereich an GSK verkauft worden war, einen der weltweit größten Pharmaunternehmen mit Sitz in London (der jetzige wichtigste wissenschaftliche Regierungsberater wiederum war früher bei GSK). Der Wellcome Trust ist nach der Bill and Melinda Gates Foundation die weltweit zweitreichste Stiftung, die medizinische Forschung fördert und hatte 2018 ein Vermögen von 26 Milliarden Euro. [8] Die Stiftung hält Aktien unter anderem an Alibaba, Microsoft, Apple, einem chinesischen Internetunternehmen und Amazon; Abbott (die US-amerikanische Firma ist auch im Schnelltest-Geschäft) kam im 2. Halbjahr 2020 erstmals dazu. [9]
Eine weitere der weltgrößten Pharmafirmen ist AstraZeneca mit Sitz in Cambridge. Die Firma arbeitet zusammen mit einer Spin-Off-Firma der Universität Oxford an einem Impfstoff gegen SARS-CoV‑2 und musste die Studie, die zur schnellen Zulassung führen sollte, schon zweimal unterbrechen. [10] Ebenfalls im COVID-Geschäft mischt das Imperial College London mit und will einen Nukleinsäure-Impfstoff unter und in die Leute bringen: „Nach Injektion in den Muskel vermehrt sich die RNA selbst – generiert Kopien von sich selbst – und befiehlt den eigenen Körperzellen, Kopien eines Spike-Proteins zu machen, das außen auf dem Virus gefunden wird.“ [11] Das ist Gentechnik, in Menschen.
Das Imperial College London hat durch seine Modellierungen seit zwei Jahrzehnten ein Desaster nach dem anderen verursacht. Bei COVID ist es das SAGE-Mitglied Ferguson, der maßgeblich dazu beigetragen hat, die halbe Welt mit absurden Zahlen in den Lockdown zu zwingen – und den Absatzmarkt für den Impfstoff zu bereiten. Fergusons Kollege Roy Anderson, früher Vorstandsmitglied beim Wellcome Trust, hatte bereits 2001 Modelle zur Maul-und-Klauen-Seuche gemacht, die vom damals wichtigsten wissenschaftlichen Berater der Regierung, David King, in die Tötung von fast 8 Millionen Schafen, Rindern und Schweinen umgesetzt wurden, von denen die meisten gesund waren.
„Hätte die Regierung den Rat der weltweit führenden Experten für Maul-und-Klauenseuche angenommen, hätte die Epidemie innerhalb von Wochen beendet werden können, der Exporthandel Großbritanniens wäre schneller wieder hergestellt worden, ländliche Gemeinden wären von Verzweiflung und der ländliche Raum Großbritanniens von einem finanziellen, sozialen und ökologischen Desaster verschont geblieben.“ [12]
Anderson war einige Jahre bei GSK Vorstandmitglied und hat zusammen mit seinem Kollegen Ferguson auch bei der Schweinegrippe 2009 eine Spur der Verwüstung hinterlassen. [13] King hat jetzt die öffentlich sichtbarste Kritikergruppe „Alternativ-SAGE“ gegründet, der die Regierungsmaßnahmen viel zu weich sind, der es zu früh aus dem Lockdown ging und die empfahl, den „Panikknopf“ zu drücken, nachdem der R‑Wert von 0,8 auf 1 gestiegen war. [14] Weitere Kritiker der Regierungslinie sind aktuell kaum sichtbar.
Zu dieser Unsichtbarkeit trägt die Medienlandschaft maßgeblich bei, denn die normalerweise lesbarsten Zeitungen wie Guardian, Observer und Independent haben sich komplett dem Regierungskurs unterworfen, während der ansonsten unlesbare Telegraph nur gelegentlich relativ gute Berichte bringt. Dann gibt es noch mehr und teilweise noch aggressivere Boulevardzeitungen als hier, die ohnehin keine Hilfe sind und die BBC ist – freundlich ausgedrückt – belanglos.
Wahnsinn mit Methode
Die Epidemie, die es nicht mehr gibt, soll nun mit „Moonshot“-Massentests verfolgt werden. Mit der PCR ist dies nicht zu schaffen – aktuell sind es weniger als 500.000 Tests pro Tag [1] und es gibt wenig Reserven – aber da gibt es ganz neu die Schnelltests ohne größere Gerätschaft, teilweise sogar ohne Fachpersonal für Probeabnahme und Durchführung, und eben schnell. Der Gesundheitsminister verteilt öffentliche Mittel an Testfirmen und lockt im August mit Weihnachten.
Während diese Schnelltests stellenweise schon eingesetzt wurden [15], entstand „Moonshot“ und das British Medical Journal erhielt die Dokumente als „Leak“. Daraus wurde ersichtlich, daß für die Massentests 100 Milliarden Pfund Sterling veranschlagt werden, was fast dem Jahresbudget des National Health Service NHS entspricht (130 Milliarden) und es gibt bereits
„unterschriebene Patronatserklärungen [‚letters of comfort‘] mit den Unternehmen, um bis Dezember 3 Millionen Tests täglich zu schaffen. Die Firmen, die genannt wurden, waren GSK für die Bereitstellung der Tests, AstraZeneca für die Laborkapazität und Serco und G4S für Logistik und Lagerhaltung.
Unter dem Plan wird die Regierung Tests an Arbeitsplätzen, Unterhaltungsstätten und Fußballstadien sowie bei Allgemeinärzten, Apotheken, an Schulen und weiteren öffentlichen Orten einführen, um den Zugang zu verbessern. Sie wird auch digitale Immunitätsausweise einführen, um negativ getesteten Menschen die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz zu ermöglichen, zu reisen und an anderen Aktivitäten teilzunehmen.“ [16]
Zu diesen dystopischen Plänen gehört noch die eingangs erwähnte PowerPoint-Präsentation, die von der Boston Consulting Group, einer der weltweit größten Unternehmens- und Strategieberatungen, stammt. Aus ihr ging die Zahl von täglich 10 Millionen Tests hervor. 10.000.000 Tests pro Tag ergeben bei einer guten Spezifität von 99% täglich 100.000 falsch-positive Ergebnisse, das sind pro Woche 700.000 und im Monat 3 Millionen. In drei Monaten hat man die Einwohnerzahl von London zusammen, sollte der Test weniger spezifisch sein, geht es schneller.
Das ist Wahnsinn mit Methode, die Bevölkerung wird zwischen Hoffnung und Panik, zwischen Lockungen und Bestrafung herumgeschubst und mit immer irrwitzigeren Anordnungen drangsaliert, während gleichzeitig die öffentlichen Kassen geplündert werden für die Lösung, der das Problem abhanden gekommen ist. Vielleicht sucht man jetzt schon nach Ablenkung von den Brexit-Folgen, die ab dem Neujahrstag 2021 offenbar werden und nach einer passenden Ausrede: Alles Corona.
Hervorhebungen in blau von mir
[1] Derek du Preez: The government’s mass testing Moonshot project looks like a 90s Silicon Valley PowerPoint nightmare (diginomica 10.9.2020)
https://diginomica.com/governments-mass-testing-moonshot-project-looks-90s-silicon-valley-powerpoint-nightmare
[2] Ed Conway, Rowland Manthorpe: Coronavirus: The inside story of how UK's 'chaotic' testing regime 'broke all the rules' (sky 10.7.2020)
https://news.sky.com/story/coronavirus-the-inside-story-of-how-uks-chaotic-testing-regime-broke-all-the-rules-12022566
[3] PCR-Spezifität: Auswirkungen auf Fallzahlen und R‑Wert
https://corodok.com/pcr-spezifitaet-auswirkungen/
[4] Ivan Cummins hat sehr viel zum Verständnis der Epidemiologie beigetragen, seine aktuelle – sehr empfehlenswerte – Zusammenfassung gibt es hier: https://twitter.com/FatEmperor/status/1303704826287718400
[5] Coronavirus latest news: UK on 'edge of losing control' of virus, says Sage adviser (Telegraph 12.9.2020)
https://www.telegraph.co.uk/global-health/science-and-disease/coronavirus-news-uk-deaths-cases-birmingham-local-lockdown/
[6] Andy Philip: UK heading to hard lockdown and return to shielding if public ignore rules / A professor sounded the alarm amid claims the UK Government is looking at severe fall-back plans (Daily Record13.9.2020)
https://www.dailyrecord.co.uk/news/politics/uk-heading-hard-lockdown-return-22674699
[7] Alex Morales, Suzi Ring: Johnson’s Top Aide Pushed Scientists to Back U.K. Lockdown (Bloomberg 28./29.4.2020)
https://www.bloomberg.com/news/articles/2020–04-28/top-aide-to-u-k-s-johnson-pushed-scientists-to-back-lockdown
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Wellcome_Trust
[9] https://www.gurufocus.com/news/1182824/wellcome-trust-ltd-the-as-trustee-of-the-wellcom-buys-adobe-inc-abbott-laboratories-accenture-plc-sells-morgan-stanley-apple-inc-jpmorgan-chase
[10] Studie zu Oxford-Impfstoff bereits zwei Mal unterbrochen
https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/coronavirus-impfstoff-astrazeneca-studie-nebenwirkung‑1.5027594
[11] Imperial COVID-19 vaccine trial starts in Southampton
https://www.uhs.nhs.uk/ClinicalResearchinSouthampton/Research/Facilities/NIHR-Southampton-Clinical-Research-Facility/News-and-updates/Articles/Imperial-COVID-19-vaccine-trial-starts-in-Southampton.aspx
[12] Muckspreader: The Foot and Mouth Report / Everything Tony Blair didn‘t want you to know about the biggest blunder of his premiership
https://www.private-eye.co.uk/pictures/special_reports/not-the-foot-and-mouth.pdf
[13] Wolfgang Wodarg: Pandemie als Geschäftsidee 2009/2010 H1N1 (Schweinegrippe), in: n BIG PHARMA, Mikkel Borch-Jacobsen Hrsg., Piper 2015, S. 310 ff
https://www.wodarg.com/app/download/8975802914/+-Falscher+Alarm+Die+Schweinegrippe+WW+in+BIG+PHARMA.pdf?t=1590101181
[14] Fiona Jones: Former Chief Scientific Adviser Sir David King calls for the Government to "push the panic button" as coronavirus cases soar. (LBC 21.8.2020)
https://www.lbc.co.uk/radio/presenters/eddie-mair/former-csa-urges-lockdown/
[15] Sarah Neville: High-speed Covid-19 tests to be rolled out across UK next week
(Financial Times 3.8.2020)
https://www.ft.com/content/c381b4e6-89c7-402a-9db3-d85e9d53d7cf
[16] Covid-19: Government plans to spend £100bn on expanding testing to 10 million a day (British Medical Journal BMJ 2020;370:m3520)
https://www.bmj.com/content/370/bmj.m3520
Phänomenal, wieviel Geld man sofort zur Verfügung hat, wenn man die Pharma-Branche befeuern will.
Und komisch – für Pflege und Gesundheitswesen hat man diese Gelder nicht, sondern lässt diese am langen Arm verhungern – dabei wären Gelder dort doch mindestens genauso wirksam ‑wenn nicht gar wirksamer – gegen eine Atemwegspandemie.
Übrigens, der Begriff "Hebel-Synergie" ist interessant. Der Begriff "Leverage" ist ein Börsen-Begriff. Der Broker hebelt mittels geliehenen Aktien seinen geringeren Einfluß mit nur eigenen Aktien. Ein Begriff, der meines Erachtens zuerst von Georg Soros auf andere Bereiche übertragen wurde: indem man seine Gelder zur Beeinflussung von Gesellschaften so anlegt, dass diesen Geldern Staatsgelder (vielleicht auch noch Spendengelder) nachfließen, kann man seinen eigenen Einfluß "hebeln", also erhöhen.